Wer kennt ihn nicht, den Traum vom eigenen Robotik-Teleskop? Oder wenn bei extremen Minustemperaturen, wegen der offenen Terrassentür die Familie streikt… Mir ging es ähnlich und ich schaute mich nach den vorhandenen Möglichkeiten um. Meade bietet hierfür eine nicht ganz günstige aber viel versprechende Lösung mittels WLAN an. Der Meade WTS – Wireless Telescope Server. Dieser schlägt mit 399,- Euro Listenpreis ganz schön tief in die Tasche, aber der WTS wird im Normalfall mit 199,- Euro Straßenpreis gehandelt.
Der WTS ist im Grunde genommen eine umgebaute WLAN-Bridge. Laut Meade wurde hier viel an der Firmware gedreht, um die notwendige Datenstromstabilität zu erlangen und zudem noch ein 16MB großer Puffer, für die Unterstützung von CCD-Kameras, eingebaut. Der WTS hat neben der mitgebrachten 56 MBit schnellen 811.g WLAN Einheit noch einen Standard 10/100 Mbit Ethernetport, was die Möglichkeit einer Übertragung der Signale über lange Kabel bietet. Die eigentlichen Nutzgeräte, wie CCD und/oder Teleskop, werden an dem WTS über einen USB 2.0 Port angeschlossen. Meade weist im Manual explizit darauf hin, dass hier ein aktiver USB-Hub zum Einsatz kommen muss, der die USB-Geräte mit dem notwendigen Strom versorgt. Am Rechner werden die Nutzgeräte mittels Meades Virtual Link Software zur Verfügung gestellt, eine Größenordnung von zwei CCD-Kameras und einem Teleskop werden im Manual skizziert.
Soviel zur Theorie… ich möchte an dieser Stelle einfach mal ganz objektiv
meine Erfahrung mit dem Meade WTS und dem dazugehörigen Support von Meade
Deutschland darstellen. Denken mögen alle, was sie für richtig halten. Zudem
möchte ich meine Erfahrungen vermitteln, nicht jeder sollt diese Odyssee noch
einmal durchleben müssen.
Die Kandidaten: 1 PC Athlon mit Win2k Pro 32Bit, 1 Laptop Toshiba mit
WinXP Pro 32 Bit – beide mit ausreichend Arbeitsspeicher und CPU-Leistung. Mein
LX-200GPS, ein Meade LPI und ein Meade DSI III Pro. Ein „noname“ USB-Hub und
ein zertifiziertes USB-Hub der Marke D-Link. Ein Gigabit Netzwerkswitch der
Marke Netgear und ein WLAN Accesspoint der Marke AVM. Und natürlich der Meade
WTS.
Am Anfang war die Euphorie noch groß als ich den WTS endlich geliefert
bekam. Auspacken, anschließen und im Netzwerk etablieren war einfach. Die auf der
CD mitgelieferte Software funktionierte bei mir gut, aber ich bin eher ein
Freund von kontrollierten Abläufen. Also kurz per HTTP oder Telnet auf den WTS
– das Login funktioniert über den User „root“ ohne Kennwort! Alle notwendigen
Parameter konfigurieren, das Teleskop und die Kameras über das USB-Hub and den
WTS anschließen, Strom an und los geht’s.
Nach dem Start der Virtual Link Software wurde der WTS korrekt mit seinen
Geräten angezeigt und der Rechner fügte nach dem „verbinden“ die Geräte seiner
Hardwareliste hinzu. Die Treiber für die Endgeräte sollten im Vorfeld
installiert werden, so dass der Rechner diese bereits in seiner
Treiberdatenbank hat.
WTS mit angeschlossenem Teleskop, LPI und DSI:
Der Start von Envisage brachte dann die ersten Probleme. In der
Initialisierungspahse von Envisage – also bevor das Hauptfenster aufgeht –
gingen verschiedene andere Fenster auf, und manchmal auch wieder zu, die die
Windows TWAIN-Schnittstelle ansprechen wollten. Hier war sporadisch ein
Stillstand des Rechners bis hin zum Bluescreen zu verzeichnen und ich dachte
erst an ein Problem mit dem Rechner. Der identische Aufbau brachte auch auf dem
Laptop ähnliche Auswirkungen. Ich reduzierte also die Komplexität des Aufbaus
und wollte mich dann langsam an meinen Zielaufbau annähern.
WTS mit angeschlossenem Teleskop:
Das Teleskop bot den gewohnten virtuellen COM-Port zur Verbindung an. Die Tests
mit der Autostar Suite und den anderen Meade-Tool zeigten keinen Unterschied zu
einem direkt angeschlossenen Teleskop. Ich war begeistert, der WTS funktioniert
generell.
Ergänzung:
Nach längerer Nutzung des Serial2 USB-Adapters von Meade am WTS kann ich
berichten, dass Datenübertragungen wie bei Autostar Updater oder auch PEMPro
nicht funktionieren und die Übertragung mit Fehlern abgebrochen wird. Ich kann
hier nur mutmaßen, dass es bei der Kommunikation zu Timeouts kommt. Bei
kritischen Übertragungen, wie auch Firmwareupdates - also lieber das Teleskop
direkt per Kabel an den PC anschließen!
WTS mit angeschlossenem LPI:
Mit dem verbundenen LPI startete Envisage wie ursprünglich erwartet. Die Kamera
wird initialisiert und liefert einen stabilen Datenstrom von hoher Qualität.
Die auftretende Latenzsteigerung schreibe ich dem eingebauten Puffer des WTS
zu, hierzu aber später mehr.
WTS mit angeschlossenem DSI:
Analog zu dem Aufbau mit dem LPI funktionierte der DSI einwandfrei, die
Bildübertragung ist schnell aber auch mit einer erhöhten Latenz.
WTS mit angeschlossenem Teleskop und LPI:
Hier traten wieder die oben genannten Probleme auf: Bluescreen, TWAIN-Fenster
etc... wobei ich sagen muss, sporadisch hat der LPI durchgestartet und lieferte
Bilder.
WTS mit angeschlossenem Teleskop und DSI:
Diese Konstellation funktionierte auf den ersten Eindruck recht gut. Das
Teleskop ließ sich mittels Envisage oder der Autostar Suite problemlos
fernsteuern und der DSI lieferte gute Bilder. Je nach Qualität der WLAN
Funkblase und/oder entsprechender Störeinflüsse bekam ich aber mal mehr, mal
weniger „Response length error“ in Envisage gemeldet. Diese führen zu einem
Kommunikationsverlust zum DSI und somit zum Stopp der laufenden Aufnahme.
Meines Erachtens somit keine „lauffähige“ Konfiguration.
Ich beschloss mich mit einem Experten über meine Probleme zu unterhalten
und rieft kurzerhand den Support von Meade Deutschland an: Nach der Darstellung
meines Aufbaus wurde mit geraten, dass Problem weiter einzugrenzen. "Ein
Hauptproblem ist immer das WLAN mit seinen instabilen Zuständen.".
Hierzu sollte ich das WLAN abschalten und den WTS mittels CAT-Kabel direkt über
Ethernet betreiben, dies würde das WLAN als Fehlerquelle ausschließen. Gesagt,
getan und nach einer halben Stunde hatte ich denselben Herrn wieder am Telefon,
die Probleme waren unverändert. "Lassen Sie das USB-Hub weg und
schließen Sie die Geräte der Reihe nach direkt an dem WTS an.". Das
dies laut Manual nicht supportet ist, war dem Support erst mal egal. Wie
erwartet funktionierten alle Geräte einzeln wie es sein sollte. "Schließen
Sie die Geräte über den USB-Hub direkt an den PC an.". Dies
funktionierte natürlich auch ohne Probleme und da war die Sache für den Meade
Support ganz klar: "Das USB-Hub ist nicht mit den USB Standards
kompatibel." Auf meine Frage, welchen Hub ich denn kaufen solle oder
mit welchem Hub denn Meade gute Erfahrungen gemacht hat, bekam ich keine
wünschenswerte Antwort: “Da kann ich Ihnen nicht helfen, wir können keine
Aussage über Hardware dritter Anbieter treffen oder garantieren“. Das war
eindeutig, hier bekomme ich keine weitere Hilfe. Noch guter Dinge bestellte ich
mir dennoch ein zertifiziertes USB V2.0 USB-Hub der Marke D-Link. Wie ich im
Grunde aber schon erwartet hatte, es änderte nichts.
Meine persönliche Analyse:
Was passiert da und warum funktioniert der WTS nicht wie er soll? Ich
unterscheide hier deutlich zwischen Latenzen und Datendurchsatz, also
Transferleistung. Ich habe herausgefunden, dass der Meade LPI von allen
angeschlossenen Geräten, dass anspruchsvollste ist. Es gibt offensichtlich eine
zeitkritische bidirektionale Kommunikation während der Initialisierung, nach
der der Datenstrom von der Kamera auf den Weg geschickt wird. Der WTS erzeugt
in Verbindung mit dem USB-Hub eine erhöhte Latenz, so dass die Kamera nicht
einwandfrei initialisiert wird oder der Treiber die Kamera nicht korrekt
erkennt. Mit steigender Geräteanzahl am USB-Hub steigt auch die Latenzzunahme.
Wird das Hub aus der Kommunikation entfernt, ist die Latenz gering genug um die
Kommunikation zu ermöglichen. Die Durchsätze des LAN oder WLAN sind um ein
Vielfaches größer als die von USB, auch ein 300 Mbit schnelles 811.n WLAN
bewirkte hier keine Besserung. Ich möchte somit den erreichten Durchsatz über
LAN oder WLAN als mögliche Ursache ausschließen.
Es mag sein, das es USB-Hubs mit extrem geringer Latenz gibt und somit die
Kommunikation ohne Probleme möglich ist. Ohne entsprechende Vorgaben oder
Hinweise seitens Meade wird dies aber zu einem großen Feldversuch und ich kann
mir vorstellen, dass dies mehr Frust als Freude erzeugt.
Eine lauffähige und leistungsstarke Konfiguration:
Es mag den Einen oder Anderen verwundern, aber ich habe noch viel Zeit und
Material investiert, um mittels der WTS-Technologie ein für mich ausreichendes
Robotik-Teleskop zu realisieren. Ziel war es natürlich auch, die Komplexität
meiner Montierung vollends auszuschöpfen. Ich möchte hier dem Interessierten
meine Konfiguration und die damit mögliche Leistung kurz darstellen.
Die Komponenten: Das Hauptrohr mit einer DSI III Pro CCD-Kamera
bestückt, die Montierung via Serial2USB und ein Leitrohr mit LPI oder DSI III
als CCD-Guider. Drei Meade WTS und zwei 300 MBit 811.n WLAN-Brücken der Marke
AVM.
Jedes Endgerät hat seinen eigenen WTS und somit gibt es keine Konflikte seitens USB. Die drei WTS sind via Ethernet an einer der beiden AVM WLAN-Bridges angeschlossen und so kommen keine zusätzlichen CSMA/CD bzw. CSMA/CA Events in der Funkblase vor – diese steigen mit zunehmender Teilnehmerzahl exponentiell an! Es gibt in der Funkblase nur die beiden AVM-Bridges, so dass die Kommunikation mit so wenig wie möglich Störungen ablaufen kann und annähernd die gesamte Bandbreite für die Nutzdaten zur Verfügung steht. Drinnen sind PC und Laptop an der anderen Bridge über den Gigabit-Switch angeschlossen und ich kann über Meade Virtual Link frei definieren, welches Endgerät an welchem Rechner „aktiviert“ wird.
Diese Konfiguration ist so schnell und stabil, dass geguidete Langzeitaufnahmen ohne Einschränkungen möglich sind. Ich habe bei 2000mm Brennweite des Hauptrohres und 420mm Brennweite des Leitrohres keine Abweichungen in der Positionierung feststellen können und arbeite seit dem gänzlich ohne Kabel. Die Bilder des Guiders kommen, die Latenz durch den 16MB Puffer außer Acht gelassen, in „Echtzeit“ und es gibt keine ausschlaggebenden Verzögerungen durch zeitgleiche Übertragungen mehrerer Geräte. Eine nennenswerte Einschränkung muss an dieser Stelle aber erwähnt werden: durch die erhöhte Latenz des Gesamtsystems ist die Aggressivität der Guiding-Software eher klein zu halten. Denn das zur Auswertung anstehende Bild ist nicht mehr ganz "aktuell". clear skies